Sonntag, 7. April 2013

Journalisten als Unternehmer

Ulrike Langer, freie Journalistin in Seattle im Interview mitJeff Jarvis



Ulrike Langer, freie Journalistin
Jeff Jarvis leitet an der City University of New York (CUNY) das Tow-Knight Center for Entrepreneurial Journalism. Dort bereiten sich Journalismusstudenten auf die Gründung eigener Startups vor. Jeff Jarvis thematisiert die Beziehungen zwischen Journalisten und Nutzern und durchdenkt neue Businessmodelle für Journalismus in der digitalen Medienwelt. Im Grunde fordert Jarvis, dass Medienschaffende sich nicht auf dem Inhaltemarkt, sondern auf dem Beziehungsmarkt sehen sollten. 

In Deutschland hat torial.de einen geeigneten Ansatz. Im ersten Schritt biete torial.de Journalisten an, ihr eigenes Portfolio hochzuladen. Das sind statische Arbeiten, wie Kolumnen, Interviews und Artikel. Aber auch dynamische Inhalte, die mithilfe von Feeds aktuell gehalten werden. Ein Magazin präsentiert in einem guten Layout die jeweils neuen und lesenswerten Inhalte. Die Macher von torial.de bieten damit eine geeignete Basis zum Aufbau von Beziehungen zwischen Journalisten und Autoren. 

Einige Auszüge aus dem Interview zwischen Ulrike Langer und Jeff Jarvis:


Aber jetzt kann ich meinen Journalismusstudenten beibringen, dass sie ihre eigenen Unternehmen starten können, weil man dafür nur noch wenig Kapital benötigt. Ich glaube, wir versuchen gerade herauszufinden, wie man journalistische Formen und Inhalte neu denken kann und welche Rolle wir Journalisten einnehmen sollten. Ich argumentiere seit einiger Zeit, dass wir Medienmacher uns nicht auf dem Inhaltemarkt sondern auf dem Beziehungsmarkt sehen sollten.

Jarvis meint vermutlich die Potenziale des Crowdfunding. Die deutsche Plattform krautreporter.de bietet zwar Finanzierungsrunden für hochwertige journalistische Projekte an. Dort werden allerdings sehr spezielle Themen mit einem kleinen Kreis von Interessierten eingereicht. Zur Zeit sind Airtramper von Holger Steffens und Der flammende Tibeter von Pauline Tillmann aktiv. Wünschenswert sind Themen mit einem größeren Leserkreis. Vielleicht ist das dritte krautreporter-Projekt, nämlich Ungarn: einmal Freiheit und zurück von Laura Schameitat ein Schritt in diese Richtung. Unsere Medienlandschaft braucht große Themen, bearbeitet von Journalisten, die nicht nur geistig sondern durch Crowdfunding auch wirtschaftlich unabhängig sind. 
 
Wir müssen weg vom alten Medienmodell, dass besagt, dass mehr von allem besser ist, zum Beispiel mehr Seitenaufrufe, und hingelangen zu einem direkten Modell, dass auf Beziehungen zu Medien beruht.

Jarvis hält die Kennzahl Seitenaufrufe für zwecklos, wenn wir nicht wissen, wo diese Inhalte ankommen und was deren Nutzer motiviert. In der Tat gelangen Medienleute zu reicheren Informationen, wenn sie ihre Konsumenten kennen. Dafür ist ein interaktives Beziehungsmanagement nötig. 
 
Ich glaube, dass vertikal integrierte Industriebranchen durch Ökosysteme ersetzt werden, die aus drei Ebenen bestehen: Plattformen, unternehmerische Gründungen und Netzwerke. Und man kann auf mehreren Ebenen mitspielen. Weil bereits Plattformen existieren, sind Unternehmensgründungen leichter geworden, aber manchmal braucht man auch die kritische Masse an Nutzern, also gründet man Netzwerke.

Dieser Gedanke besticht durch seine Allgemeingültigkeit. Auch Crowdunding-Plattformen müssen für eine Vernetzung ihrer Nutzer sorgen und die vielzitierte Weisheit der Vielen fruchtbar machen. Plattformen als Kapitalsammelstellen zu verstehen, führt in die Irre. So ist beispielsweise seedmatch.de gewaltig auf dem Holzweg, wenn sie sich damit rühmen, dass Refined Investment und erdbären in weniger als 10 Stunden ein Speedfunding hingelegt haben. Hier ist es wieder, das althergebrachte Ziel sinnloser Quantität. 
 
Wir müssen allerdings einen Mehrwert schaffen, basierend auf der Maxime, dass die Informationen auch ohne uns fließen. Darauf bauen wir auf und entwickeln neue Formen für Faktenchecks oder den Vertrieb oder das Kuratieren oder ein anderes neues Buzzword. So oder so haben wir kein Monopol mehr auf Nachrichten und müssen unseren Wert anders beweisen.

Diese und andere nachdenkenswerten Anregungen gibt es im vollständigen Interview.

  
Jeff Jarvis: Mehr Transparenz wagen! erscheint in Deutschland am 12. Oktober

Jeff Jarvis als